Donnerstag, 12. März 2009

Auf der Suche nach dem Tunnel

Europaparlament bereitet EU-Frühjahrsgipfel vor
Auf der Suche nach dem Tunnel
Womöglich fünf weitere Milliarden Euro für EIB / Warnungen vor übermäßigen Defiziten
Die Investitionsbank auf Kirchberg soll zusätzliche Geldmittel und Personal erhalten. (FOTO: ANOUK ANTONY)
VON JAKUB ADAMOWICZ
(STRASSBURG)
Die Stabilisierung der Finanzmärkte,
die Ankurbelung der Realwirtschaft
und die Sicherung von Arbeitsplätzen
sind die Hauptthemen
des kommenden Donnerstag in
Brüssel beginnenden EU-Frühjahrsgipfels.
In den nächsten Tagen entscheidet
sich, ob das fünf Milliarden
Euro umfassende EU-Konjunkturpaket
der Europäischen Investitionsbank
(EIB) für Projektfinanzierungen
bereitgestellt wird.
„Wir haben die Krise unterschätzt
und bisher nicht richtig verstanden.
Wir wissen weiterhin nicht,
wie tiefgreifend und wie lange die
aufgrund der Finanzmarktkrise
entstandene Rezession andauern
wird“, zeichnete EU-Industriekommissar
Günter Verheugen ein
düsteres Bild der wirtschaftlichen
Entwicklungsaussichten. Jan Andersson
(SPE) wurde konkreter:
„In der EU dürften laufendes Jahr
3,5 Millionen Arbeitsplätze verloren
gehen. Die Arbeitslosenrate in
der Eurozone dürfte 2009 auf 9,2
Prozent und 2010 noch weiter steigen“,
so der schwedische Berichterstatter
für beschäftigungspolitische
Maßnahmen.
Richtig koordinieren
Als Hauptursache für die weiter
andauernde Kreditklemme
nannte Verheugen die Erwartungshaltung
von Banken, „noch
eine weitere Abschreibungswelle
überstehen zu müssen“. Die Europäische
Investitionsbank könne
nur beschränkt aushelfen: „Mit ihrer
laufenden Kapitalerhöhung
stößt die EIB an die Grenzen ihrer
Handlungsfähigkeit. Im zweiten
Halbjahr 2009 wird der Kreditbedarf
vieler kleiner und mittelständischer
Betriebe nicht mehr bedient
werden können. Uns steht
eine schwere Zeit bevor“, so die
Warnung des Industriekommissars.
Die meisten der 27 EU-Staaten
haben umfassende Konjunkturprogramme
aufgelegt. Tschechiens
Europaminister Alexandr
Vondra, der am Mittwoch die
Ratspräsidentschaft im Europaparlament
vertrat, unterstrich die
Bedeutung der Koordinierung der
nationalen Maßnahmen: „Selten
waren die Risiken für den europäischen
Integrationsprozess so hoch
wie heute. Nur wenn die EU es
schafft, die Aktionen ihrer Staaten
zu koordinieren, wird sie gestärkt
aus der Wirtschaftskrise hervorgehen“.
Astrid Lulling (CSV-EVP)
erklärte: „Das sogenannte europäische
Konjunkturpaket besteht in
der Hauptsache aus der Koordinierung
der nationalen Stimulierungsmaßnahmen“.
Verheugen
forderte in diesem Zusammenhang,
der kommenden Donnerstag
und Freitag abgehaltene EU-Frühjahrsgipfel
müsse „verbindlich
einen europäischen Kompass für
alle EU-Staaten festsetzen“. EUKommissionspräsident
José Manuel
Barroso verwies auf die Bedeutung
des Binnenmarktes für
zukünftiges Wirtschaftswachstum.
In den kommenden Tagen entscheidet
sich, ob das auf EU-Ebene
geschnürte, fünf Milliarden Euro
umfassende Konjunkturpaket der
Europäischen Investitionsbank für
die Kreditvergabe in Projekte zur
Verfügung gestellt werden soll.
Für dieses Vorgehen plädierte am
Mittwoch erneut Claude Turmes
(Grüne). „Aufgrund des herausragenden
Ratings der EIB ließen
sich bis zu 30 Milliarden Euro an
Investitionsvolumen mobilisieren“,
erklärte Turmes im Plenum.
Vondra zeigte sich zu dem Vorstoß
skeptisch: „Ich werte den
Vorschlag als wahlkampftaktisches
Manöver“, sagte der tschechische
Europaminister vor dem
Hintergrund der im Juli stattfindenen
Wahlen zum Europaparlament.
Lulling: „Maß halten“
Aus Parlamentskreisen verlautete,
aufgrund des rasant zunehmenden
Arbeitspensums werde die EIB in
nächster Zukunft hunderte neuer
Arbeitsplätze schaffen.
Mehrere EP-Abgeordnete haben
am Mittwoch erneut vor einer
langfristigen Belastung der Haushalte
durch die umfassenden Konjunkturprogramme
gewarnt.
„Heute emittierte Anleihen sind
Schulden von morgen. Die Staaten
werden sie zurückzahlen müssen.
Bereits heute wird in mehreren
EU-Ländern über mögliche Steuererhöhungen
gesprochen, um die
Defizite in Zukunft abbauen zu
können“, erklärte Lulling.

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