Donnerstag, 5. Februar 2009

Palästinenserpräsident vor dem Europaparlament / Kritik von Astrid Lulling

Palästinenserpräsident vor dem Europaparlament
Abbas fordert EU-Truppen
Fatah soll zukünftige Einheitsregierung anführen / Kritik von Astrid Lulling

Abbas in Straßburg: Der Palästinenserpräsident bezeichnete die Auswirkungen
der israelischen Offensive im Gazastreifen als „Tragödie“. (FOTO: AP)
VON JAKUB ADAMOWICZ
(STRASSBURG)

Vor dem Europaparlament hat Palästinenserpräsident
Mahmud Abbas
am Mittwoch die EU zur Entsendung
von Friedenstruppen in
das Palästinensergebiet aufgerufen.
Von der EU forderte Abbas außerdem,
sich verstärkt an den Bemühungen
um die Wiederbelebung
des Friedensprozesses zu beteiligen
und die Abhaltung der anstehenden
Parlaments- und Präsidentenwahlen
logistisch zu unterstützen.
„Die Europäer sind dem Nahen
Osten nah und verstehen die Probleme
der Region. Deshalb sollten
sie im Friedensprozess auch eine
politische Rolle spielen“, sagte
Palästinenserpräsident Mahmud
Abbas in seiner Rede vor dem
Straßburger Plenum. Der Präsident
des Europaparlaments, Hans-
Gert Pöttering, forderte neue Impulse
im Friedensprozess zwischen
Israel und den Palästinensern.
„Alle Beteiligten des Nahost-
Quartetts (UN, USA, EU und
Russland) müssen ihre Bemühungen
intensivieren, damit Israelis
und Palästinenser gemeinsam in
Frieden und Sicherheit leben können.
Die Spirale der Gewalt in
Nahost muss durchbrochen werden“,
sagte Pöttering.
„Frieden und Gerechtigkeit“
Abbas bezeichnete die Auswirkungen
der israelischen Offensive
im Gazastreifen als „Tragödie“
und forderte, eine vergleichbare
Eskalation der Gewalt dürfe sich
im Nahen Osten nicht wiederholen.
„Die Palästinensische Autonomiebehörde
will Frieden und Gerechtigkeit.
Wir hoffen, dass auch
Israel dieses Ziel verfolgt“, sagte
Abbas.
Auch wenn zahlreiche Europaabgeordnete
Abbas nach seiner
Rede mit stehendem Beifall bedachten,
verließen mehrere EVPDeputierte,
darunter auch Astrid
Lulling (CSV), demonstrativ den
Plenarsaal, weil der Palästinenserpräsident
in ihren Augen die Hamas
nicht als Mitverantwortlichen
für den jüngsten Konflikt zwischen
Israel und der radikalislamischen
Organisation beschrieb.
„Die israelische Offensive war
eine Antwort auf den Raketenbeschuss
Israels durch die Hamas.
Das hat Präsident Abbas in seiner
Rede nicht erwähnt“, kritisierte
Lulling.
Während einer anschließenden
Pressekonferenz zeigte sich der
Palästinenserpräsident auf Ausgleich
mit Israel bedacht: „Wie in
der Roadmap vorgesehen, will die
Palästinensische Autonomiebehörde
die Zweistaatenlösung im
Rahmen der Grenzen von 1967.
Das würde Israel die Möglichkeit
geben, sich inmitten einer befriedeten
Region zu entfalten“.
Angesichts der israelischen Offensive
gegen die Hamas im Gazastreifen
kritisierte Abbas die hohen
Opferzahlen in der Zivilbevölkerung:
„80 Prozent der Toten und
Verletzten sind Zivilisten. Für dieses
Verbrechen sollten die Verantwortlichen
zur Rechenschaft gezogen
werden“, so die Forderung
von Abbas.
Pöttering rief Syrien dazu auf,
im Nahostkonflikt eine vergleichbar
konstruktive Rolle zu spielen
wie Ägypten und Saudi-Arabien.
„Nur wenn Damaskus seine Haltung
ändert, kann die Aussöhnung
zwischen Israel und den Palästinensern
gelingen. Die Haltung Syriens
im Nahostkonflikt ist auch
wesentlich für die weiteren Erfolgsaussichten
der Union für das
Mittelmeer“, erklärte der EP-Präsident.
Einige EP-Abgeordnete, darunter
der ehemalige Parlamentspräsident
Josep Borrell (SPE), kritisierten
die israelische Offensive
gegen die Hamas scharf. „Die
Menschenrechte wurden bei der
Offensive systematisch missachtet.
Weder die Zerstörung der Olivenplantagen
noch die Bombardierung
von Krankenhäusern waren
Akte, die gegen Terroristen
gerichtet waren.“ Borrell forderte,
angesichts der „Missachtung des
internationalen Rechts“ durch Jerusalem
den Ausbau der Beziehungen
zwischen der EU und Israel
zu überprüfen.
Abbas zeigte sich überzeugt,
dass eine von der Hamas mitgetragene
„Konsens-Regierung“ die
Grenzen der Palästinensergebiete
wirksam kontrollieren und den
Abschuss von Raketen auf Israel
unterbinden könne. Beobachter
erwarten, dass die Präsidenten und
Parlamentswahlen in den Palästinensergebieten
im April stattfinden

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