Donnerstag, 17. Februar 2011

Astrid Lulling zur Sitzfrage des Europaparlaments „Frankreich braucht eine Strategie“ Europaabgeordnete kritisiert MacMillan-Scott-Studie

Von Jakub Adamowicz (Straßburg)

In der Diskussion um die Sitzfrage des Europaparlaments hat die Europaabgeordnete Astrid Lulling am Mittwoch die vergangene Woche von liberalen Europaabgeordneten vorgestellte Studie scharf kritisiert und die französische Regierung dazu aufgefordert, eine proaktive Vermarktungsstrategie des Sitzes in Straßburg zu entwickeln.


Foto: Marc Wilwert
Die Verfasser der Studie „A tale of two cities“ haben laut Lulling mit unsauberen Tricks gearbeitet.

„Ich bin entsetzt, wie distanzlos die meisten Medien über die vergangene Woche vorgestellte Studie berichtet haben“, sagt Lulling in ihrem Büro im Europaparlament in Straßburg. Punkt für Punkt nimmt die 82-Jährige das von den liberalen Europaabgeordneten Alexander Alvaro (Deutschland) und Edward MacMillan-Scott (Großbritannien) verfasste Papier, an dem sich die Fakultät für Psychologie der Universität Zürich beteiligt hat, auseinander.

„Es ist fragwürdig, dass die 61 Abgeordneten und 348 Assistenten, die für die Studie befragt wurden, eine für das gesamte Europaparlament repräsentative Gruppe darstellen“, gibt Lulling zu bedenken.

„Die Verfasser der Studie haben mit unsauberen Tricks gearbeitet“, so Lulling weiter: Das Argument, der medizinische Dienst im Parlament in Straßburg sei schlechter als der in Brüssel, sei auf Basis von Angaben gemacht worden, für die die Verfasser nicht die entsprechenden Einrichtungen in Straßburg aufgesucht hätten, moniert Lulling. Und unterstreicht: „Sicherlich können sich die Übersetzer und Assistenten über lange Sitzungstage in Straßburg beklagen. Der Grund ist eine in den neunziger Jahren beschlossene Verkürzung der Sitzungswoche von fünf auf vier Tage. Gleichzeitig hat mit der Vertiefung der EU das Arbeitspensum zugenommen“, weiß die erfahrene Europaabgeordnete.
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„A tale of two cities“ - Die Studie finden Sie hier.
„Phänomen wie in Brüssel“

Die vergangenen Donnerstag vorgestellte Studie kritisiert, dass während der Tagungswochen des Europaparlaments Hotels in Straßburg ihre Preise merklich erhöhen. „Dieses Phänomen gibt es in Brüssel auch. Während EU-Gipfel sind Hotelzimmer im Europaviertel überdurchschnittlich teuer“, unterstreicht Lulling.

Die Studie beschäftigt sich auch mit dem Parlamentsstandort Luxemburg. „Die Ansiedlung des Generalsekretariats in Luxemburg und nicht am Haupttätigkeitsort des Parlaments – Brüssel – verursacht Kosten“ , schreiben Alvaro und MacMillan-Scott. Lulling entgegnet: „Der Neubau des Konrad Adenauer-Gebäudes auf Kirchberg ist für das Europaparlament eine intelligente Investition. Zum einen wird das Parlament zum Eigentümer seiner Räumlichkeiten. Gleichzeitig regruppiert es seine Aktivitäten im Großherzogtum an einen Ort in einem hochmodernen Gebäude.“ Der Neubau auf Kirchberg kostet die EU-Volksvertretung rund 450 Millionen Euro.

Als Reaktion auf Studien, die den vertraglich festgelegten Sitz des Europaparlaments in Straßburg anfechten, plädiert Lulling für eine proaktive Politik der französischen Regierung. „Paris sollte die Dynamik der Anti-Straßburg-Bewegung nicht unterschätzen“, rät die 82-Jährige.

http://www.wort.lu/wort/web/europa_und_welt/artikel/2011/02/141957/frankreich-braucht-eine-strategie.php

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