Nationaler Frauenrat erinnert zu Beginn des Wahljahrs an seine Forderungen: Aufruf an die politischen Parteien (journal - 6.01.2009)
Gestern Nachmittag hatte der nationale Frauenrat zu einer Presskonferenz geladen, anlässlich der die Präsidentin Astrid Lulling, sowie die Juristin Anik Raskin die Hauptforderungen eines Aufrufs des Frauenrates an die Parteien vorstellten.
Dies ist eine Tradition des Frauenverbandes, der im Vorfeld der Nationalenwahlen an verschiedene Probleme der Frauen in unserem Land erinnern möchte, und die Parteien, sowie auch die zukünftige Regierung unseres Landes dazu ermutigen will, besagte Forderungen in ihren Wahlprogrammen aufzunehmen, respektiv in ihrem Regierungsprogramm zu berücksichtigen.
Ungenügende Frauenbeschäftigungsrate
Astrid Lulling zeigte sich unzufrieden darüber, dass eine allgemeine Tendenz bestehe, die Diskriminierung in der Geschlechterfrage mit den Diskriminierungen von Menschen in anderen Bereichen in einen Topf zu werfen. Sie plädierte für die Wiedereinführung einer Kommission für Chancengleichheit in der Abgeordnetenkammer, für die weitere Förderung der Gleichberechtigung der Frauen, und die Aufrechterhaltung des Frauenministeriums. Im Bereich der Beschäftigung stellte Astrid Lulling fest, dass der Prozentsatz arbeitender Frauen nur bei 55% liege, derweil jener der vollzeitbeschäftigten Frauen lediglich bei 44 % liege.
Noch immer würden 15% der jungen Frauen aufhören zu arbeiten, wenn sie heiraten, was sich dann im Scheidungsfall als Armutsfalle herausschälen könnte.
Individualisierung der Sozialversicherung
Demgemäss sah die Präsidentin des Frauenrates die Individualisierung der Sozialversicherung als eine politische Priorität für die folgende Regierung. Auch wenn Frauen ihre Berufstätigkeit zugunsten der Kinder zurückschrauben, sollten sie weiter versichert sein müssen. Auch sprach sich die Präsidentin für die individualisierte Besteuerung aus. Vergebens wartete der Frauenrat bisher auf eine Kampagne, die Frauen dazu ermutigen soll, sich auch während einer Familienpause weiter zu versichern.
Scheidungsrekord
Luxemburg verzeichne darüber hinaus einen Rekord an Scheidungen, werden doch derzeit 60 % der Ehen geschieden. Schwierig werde die Situation der Frauen, die über 20 Jahre verheiratet sind und dann geschieden werden. Zwar wurde das Scheidungsrecht 1978 reformiert und das Zerrüttungsprinzip eingeführt, aber der Versorgungsausgleich wurde nicht geschaffen, so wie das in Deutschland der Fall ist.
Eine weitere prioritäre Forderung des Frauenrates ist das Rentensplitting, was nicht bedeutet, dass der Frauenrat die abgeleiteten Rechte abschaffen will. Auch gab die Präsidentin zu bedenken, dass zwar im neuen Scheidungsgesetz die Schuldfrage nicht mehr bestehen soll, allerdings Rechte und Pflichten der Ehegatten weiter festgeschrieben sind; hier stelle sich also die Frage, was passiere, wenn einer der Ehepartner seinen Pflichten nicht nachkäme.
Astrid Lulling sprach ebenfalls die weite Verbreitung frauenfeindlicher Aussagen in den Medien und der Werbung an. Sie zitierte dabei die Witze der RTL-"Dëckkäpp", sowie auch verschiedene Lieder, die frauenfeindliche Texte haben. Der nationale Programmrat müsste hier eingreifen, so die Rednerin.
Anik Raskin sprach die Notwendigkeit der Chancengleichheitspolitik in Sachen Erziehung an. In der Tat sollten "Gender Studies" gefördert werden, die Geschichte der Frauen sollte gelehrt werden und die Schulbücher auf Stereotypen hin untersucht werden.
Was das Gesetz über häusliche Gewalt anbelangt, sei es erschreckend, festzustellen, in wie vielen Familien tatsächlich Gewalt herrsche. Der Frauenrat regte ebenfalls eine öffentliche Diskussion zum Thema sexuelle Verstümmelung an, gehe es doch darum, in Immigrantenfamilien die Praxis in Luxemburg absolut zu unterbinden. Es wurde festgestellt, dass verstümmelte Frauen in Luxemburg leben. Auch setzt sich der Frauenrat gegen Frauenhandel ein, und im Hinblick auf die Prostitution befürwortet er soziale Programme, die Prostituierten erlauben, wieder in ein normales Leben zurückzukehren.
Frauen in führenden Positionen
Der nationale Frauenrat bedauerte, dass Frauen in der Politik noch immer eine Minorität darstellen. Je höher die hierarchischen Positionen in der Wirtschaft und der Politik, desto kleiner werde die Zahl der dort aktiven Frauen. Der Frauenrat lud die Parteien dazu ein, paritäre Listen zu präsentieren. Darüber hinaus sprach er sich für gleiche Löhne für Frauen und Männer aus, sowie für eine Veränderung der Antikumulbestimmungen bei Witwenrenten zugunsten arbeitender Frauen.
CM
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„Gut beraten, unseren Appell ernst zu nehmen“
Nationaler Frauenrat stellt seine Wahlforderungen und -prioritäten vor
Astrid Lulling, CNFL-Präsidentin.
(FOTO: MARC WILWERT)
Pole Position für den Nationalen
Frauenrat: Der Conseil national
des femmes du Luxembourg
(CNFL) hat als erster im neuen
Jahr seine Forderungs- und Prioritätenliste
an die Adresse der Parteien
und Politiker präsentiert.
„Die politischen Parteien wären
gut beraten, unseren Appell ernst
zu nehmen“, gab sich die CNFLVorsitzende
Astrid Lulling kämpferisch,
„schließlich sind mehr
Frauen als Männer wahlberechtigt.“
Mit Blick auf die Landeswahlen
am kommenden 7. Juni sehen die
Vertreter des Frauenrates indes
noch erheblichen Nachholbedarf
beim passiven Wahlrecht. „Wir erwarten
uns ein positives Zeichen
von den Parteien und hoffen auf
paritätisch besetzte Listen“, so
Anik Raskin. Die derzeitige Zusammensetzung
von Parlament
und Regierung zeigt das Ungleichgewicht
zwischen Männern und
Frauen: In der schwarz-roten Regierung
sind drei Frauen und
zwölf Männer vertreten und in der
Abgeordnetenkammer stehen 14
Frauen 46 Männern gegenüber. 90
Jahre, nachdem den Frauen das
Wahlrecht in Luxemburg zugestanden
wurde, würden sie demnach
erst 20 Prozent der politischen
Akteure stellen, gab die
CNFL-Leiterin zu bedenken.
Mit der Arbeit der CSV/LSAPKoalition
sei man beim Nationalen
Frauenrat nicht so ganz zufrieden,
bilanzierte Astrid Lulling die Legislaturperiode.
Über Juni 2009
hinaus soll das Ministerium für
Chancengleichheit in jedem Fall
bestehen bleiben und sich ausschließlich
um die Gleichstellung
zwischen Frau und Mann kümmern.
Am Kraumarkt soll derweil
nach Dafürhalten der CNFL-Vorsitzenden
der Ausschuss für Chancengleichheit
wieder eingesetzt
werden.
Über diese rein politische Dimension
hinaus erwartet sich der
Conseil national des femmes du
Luxembourg, dem zwölf Frauenvereinigungen
angehören, dass
sich die Parteien der Schieflage am
Arbeitsmarkt annehmen. Sowohl
bei der Beschäftigung als auch in
puncto Einkommen würde hier zu
Lande immer noch große Gräben
zwischen Frau und Mann bestehen.
Besorgt zeigt sich Astrid Lulling
auch, dass viele Frauen nach
ihrer Heirat ihre berufliche Tätigkeit
aufgeben würden, ohne dass
ihre soziale Absicherung gewährleistet
sei. „Wir fordern die Individualisierung
der Sozial- und Steuerrechte.“
Andernfalls drohe diesen
Frauen die Armutsfalle, so
Lulling weiter. Das gleiche Schicksal
würde Frauen im Scheidungsfall
erwarten, weshalb der Versorgungsausgleich
endlich eingeführt
werden müsse, erinnerte die
CNFL-Chefin an eine langjährige
Forderung.
Sorgen bereitet Lulling darüber
hinaus die „frauenfeindliche und
sexistische“ Darstellung der
Frauen in den Medien. Es sei bisweilen
haarsträubend, was diverse
Liedtexte beinhalten würden,
regte sie sich über Musikdarbietungen
à la Pussycat Dolls auf.
Weitere Punkte, die im Appell
des CNFL enthalten sind, betreffen
den Bildungsbereich – „aufgrund
zahlreicher stereotyper
Darstellungen müssen die Schulbücher
überarbeitet werden“, so
Anik Raskin –, und das Problem
der Gewalt. Die Gesetzgebung aus
2003 über die Wegweisung sei
zwar eine gute Sache. „Es ist aber
mehr als bedenklich, dass es quasi
jeden zweiten Tag hier zu Lande
zu einer Wegweisung kommt“,
sprach Direktorin Anik Raskin die
Realität an. (mas)
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