Das Europäische Parlament hat neue Regeln für den Versicherungssektor beschlossen
Solvency II verabschiedet
Aufsichtsbehörden in Europa sollen enger zusammenarbeiten
VON MARIANNE TRUTTMANN UND
JAKUB ADAMOWICZ
(BRÜSSEL/STRASSBURG)
Das EU-Parlament hat einem Kompromiss
über neue Aufsichts- und
Kapitalregeln für Versicherungen
(Solvency II) zugestimmt. EU-Kommission
und die Versicherungen
wollten weiter gehen, aber die
kleinen Länder haben gebremst.
Mitten in der Finanzkrise ist es der
EU gelungen, sich über neue Vorschriften
für grenzüberschreitend
tätige Versicherungen (Solvency
II) zu einigen. Geradezu euphorisch
lobt EU-Binnenmarktkommissar
Charlie McCreevy die
„bahnbrechende“ Überarbeitung
der bisherigen Vorschriften. Sie
sollen den Konsumentenschutz
verbessern, die Aufsicht modernisieren
und die Wettbewerbsfähigkeit
der Branche steigern.
Der Einigung war ein längeres
Tauziehen vorangegangen. Sowohl
McCreevy als auch die Versicherungsbranche
wären gerne
weiter gegangen. So wollte die
Kommission eine einheitliche
Gruppenaufsicht einführen, wobei
der ganze Versicherungskonzern
von der Aufsicht des Hauptsitzes
überwacht und die Kapitalanforderungen
dort festgelegt worden
wären.
Kleinere EU-Länder, insbesondere
osteuropäische Staaten mit
vielen ausländischen Tochtergesellschaften,
wollten sich ihre
Kompetenzen aber nicht beschneiden
lassen. Sie befürchteten
zudem, dass in einem Krisenfall
die Mutter die Tochtergesellschaften
im Stich lassen würde.
Gemäß dem gestern vom Parlament
verabschiedeten Kompromiss
zwischen Rat und Parlament
wird auf die Gruppenunterstützung
verzichtet, und die EU-Staaten
behalten das letzte Wort über
die Eigenkapitalanforderungen
der in ihrem Land tätigen Versicherungen.
Hinter den Kulissen kämpften
auch die großen EU-Staaten für
die Interessen ihrer Versicherungskonzerne.
So setzten sich
Frankreich, Deutschland sowie
skandinavische Länder dafür ein,
die Eigenkapitalanforderungen
nicht zu hoch zu schrauben. Allzu
harte Eigenkapitalvorschriften,
welche die Rendite dämpfen, wollten
diese Regierungen ihren Unternehmen
nicht zumuten.
Die Versicherungskonzerne
fordern nach wie vor die Einführung
der Gruppenaufsicht bzw.
-unterstützung. Sie setzen ihre
Hoffnung auf die Revisionsklausel
in der Richtlinie. Danach kann die
EU-Kommission zwei Jahre nach
Inkrafttreten diese erneut vorschlagen.
In der Richtlinie ist vorgesehen,
dass die EU-Kommission die Aufsichtsregeln
in Drittstaaten als
gleichwertig anerkennen kann.
Um diese Anerkennung bemühen
sich u.a. die USA, Japan, die
Schweiz und die Bahamas. Letztere
haben sich mit dem Kopieren
der EU-Richtlinie nach dem Prinzip
„copy-paste“ dazu in eine gute
Stellung gebracht.
Für Luxemburg unproblematisch
Bei Solvency II ist eine Rahmenrichtlinie,
die sich auf die Festlegung
der Grundsätze beschränkt.
Die sehr technischen und detaillierten
Durchführungsmaßnahmen
werden von der Kommission
unter dem Einsichtsrecht des Parlaments
ausgearbeitet. Der Ausschuss
der europäischen Aufsichtsbehörden
für das Versicherungswesen
und die betriebliche
Altersversorgung („Committee of
European insurance and Occupational
Pensions Supervisors“/
CEIOPS) wird dabei eine wichtige
Rolle spielen.
Im Gegensatz zu der am morgigen
Freitag zur Konsultationsabstimmung
stehenden Richtlinie
über die Besteuerung von Zinserträgen
stellen die am Mittwoch
gestimmten Regelungen zur
Modernisierung des Risikomanagements
die Versicherungsbranche
Luxemburgs vor keine außergewöhnlichen
Herausforderungen.
Das verlautete am Mittwoch
aus dem Umfeld der EP-Abgeordneten
Astrid Lulling (CSV)
und Robert Goebbels (LSAP), die
beide dem EP-Wirtschafts- und
Währungsausschuss angehören.
Für das Großherzogtum sind
die „Solvency II“-Bestimmungen
von besonderer Bedeutung, weil
ein beträchtlicher Teil der in Luxemburg
tätigen Versicherungen
Niederlassungen ausländischer
Mutterhäuser sind. Die am Mittwoch
vom EP mit überwältigender
Mehrheit (593 gegen 3 Stimmen
bei 80 Enthaltungen) gestimmte
Modernisierung der Risikomanagement-
Vorschriften für
Versicherungen sieht den Übergang
zum sogenannten „Gruppenaufsichtssystem“
vor. Demnach
sollen alle weltweiten Aktivitäten
etwa einer spanischen Versicherungsgruppe
von der spanischen
Aufsichtsbehörde überwacht werden.
Dabei stehen die Bewertung
des Risikoprofils sowie die Qualität
des Risikomanagements und
der Governance-Systeme im Mittelpunkt.
Während einer mit der Überarbeitung
der Vorschriften für das
Risikomanagement von Versicherungen
zusammenhängenden EPDebatte
über die Bewältigung der
Finanzkrise hat Goebbels am
Mittwoch die Beschlüsse der G20
zu Steueroasen kritisiert: „Die
G20 haben die Interessen ihrer
eigenen Finanzzentren, etwa der
Kanalinseln, Hongkongs oder von
Delaware, vertreten.“ Goebbels
wiederholte die Aussage des französischen
Ökonoms zu den G20-
Beschlüssen, das Monopol der
Spekulation werde in Zukunft
New York und London vorbehalten
sein.
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