EP kommt Luxemburg entgegen
Vorabgenehemigung für Spitalaufenthalte / Lulling: "Nationale Kompetenzen garantieren"
Foto: Karikatur Florian Balaban
Von Jakub Adamowicz
Das Europaparlament hat am Donnerstag in erster Lesung im Mitentscheidungsverfahren den Richtlinienentwurf der EU-Kommission über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung entschärft. Über die fakultative Ausstellung von Vorabgenehmigungen für Spitalaufenthalte in anderen EU-Ländern sollen das finanzielle Gleichgewicht der Sozialsysteme aller EU-Staaten weiter gewahrt bleiben.
„Einzig die EU-Staaten bleiben weiterhin für Organisation und Finanzierung der nationalen Gesundheitssysteme verantwortlich“, sagte die EP-Abgeordnete Astrid Lulling (CSV) nach der Abstimmung. Gleichzeitig begrüßte Lulling das Anliegen des Richtlinienentwurfs, Behandlungen in einem anderen EU-Staat zu erleichtern und die entsprechende Rückerstattung von Kosten zu vereinfachen. Robert Goebbels (LSAP) erklärte: „Die Rechtslage der EU-Bürger, die sich im EU-Ausland behandeln lassen, muss weiter geklärt werden.“
Ausgangspunkt für den am Donnerstag entscheidend verfeinerten Richtlinienentwurf sind zwei Urteile des auf Kirchberg ansässigen Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 28. April 1998. Der EuGH stufte in den Urteilen Decker und Kohll die Gesundheitsversorgung als Dienstleistung ein, die auf dem Binnenmarkt grenzübergreifend handelbar sei. Um diese Rechte in der EU-Gesetzgebung festzuschreiben, hat die Kommission am 2. Juli 2008 einen entsprechenden Richtlinienentwurf vorgelegt. Dieser war jedoch für mehrere Mitgliedstaaten, darunter Luxemburg, problematisch. Im Europaparlament fanden diese Einwände gestern Berücksichtigung.
Verschiedene Prioritäten
Das Gesundheitssystem Luxemburgs weist aufgrund der geringen Bevölkerungszahl und dem dadurch bedingten Mangel an Spezialversorgung im Großherzogtum, der vergleichsweise hohen Personalkosten, und der durch Mehrsprachigkeit und geografische Nähe alternativer Versorgungsstandorte hohen potentiellen Patientenmobilität mehrere atypische Charakteristika auf.
Könnten in Luxemburg ansässige Patienten Krankenhausleistungen ohne Vorabgenehmigungen auch in den anderen 26 EU-Staaten in Anspruch nehmen, wäre die Auslastung der Luxemburger Spitäler gefährdet. Anders als etwa in Deutschland, das seine Krankenhaus-Überkapazitäten zu einem wettbewerbsfähigen Preis an Patienten aus EU-Ländern mit einem Mangel an Krankenhausbetten (Großbritannien, Spanien) anbieten könnte, wären die vergleichsweise hohen Kosten in Luxemburg ein Hindernis im Wettbewerb um Patienten aus anderen EU-Staaten.
„Diese Regelung würde das finanzielle Gleichgewicht der Sozialversicherung Luxemburgs in eine Schieflage bringen“, sagte Lulling im Vorfeld der Abstimmung, bei der 297 Abgeordnete für den entsprechenden Bericht des britischen Konservativen John Bowis stimmten. 152 Parlamentarier stimmten allerdings gegen den Richtlinienentwurf, 120 enthielten sich. Das liegt auch daran, dass das Europaparlament dem Richtlinienentwurf über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung neben dem Rechtsstatus einer Dienstleistung nicht auch den Rechtsstatus der Volksgesundheit zugestanden hat, um den Weg für eine Einigung im Rat nicht zu versperren. Sowohl Lulling als auch Goebbels plädierten vor und nach der Abstimmung für diesen doppelten Rechtsstatus des Entwurfs.
Auf Basis des Kompromisses von Donnerstag muss der Rat nun eine weiterführende Einigung erzielen, bevor das Parlament in zweiter Lesung nach den Wahlen in neuer Zusammensetzung die endgültige Richtlinie beschließen kann.
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