"Mit 80 noch dienen, wenn man mit 35 schon dabei war"
20. April 2009, 14:08Mit 80 Jahren kein bisschen amtsmüde. Die Luxemburgerin Astrid Lulling will weiter EU-Politik machen.
1965 kam sie erstmals ins EU-Parlament. Damals waren sie und eine Kollegin die einzigen Frauen.
Astrid Lulling wird 80 Jahre alt und kandidiert trotzdem ein weiteres Mal - 1965 zog sie erstmals ins EU-Parlament - Damentoilette gab es damals keine
"In einer Männerdomäne zu leben, muss nicht schädlich sein", meint Astrid Lulling salopp und weiß, wovon sie redet. 1965 Jahren kam sie mit 35 Jahren als jüngsten Mitglied und erst als zweite Frau ins Europäische Parlament. Damals war die Volksvertretung der Europäischen Gemeinschaft tatsächlich noch eine reine Männerdomäne. Damentoilette existierte zumindest keine. Und die "Arroganz der Männer war noch umgekehrt proportional zu deren Intelligenzquotienten", erzählt Lulling aus ihrem Leben.
Heimatstaat Luxemburg
Wenige Tage nach den EU-Wahlen Anfang Juni wird Lulling 80 Jahre alt. Ihr aktueller Wahlkampf ist ihr Sechzehnter. Die Christdemokratin will weiter dabei bleiben und tingelt in ihrem Heimatstaat Luxemburg von Termin zu Termin. Zuständig ist die Luxemburgerin im Europäischen Parlament für eine bunte Themenpalette. Landwirtschaft, Gleichberechtigung von Mann und Frau, sie ist in den Delegationen für die Beziehungen zu den Ländern Mittelamerikas oder zur zu der Koreanischen Halbinsel. Und im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Unter anderem. Zu alt fühlt sie sich für all diese Aufgaben noch lange nicht. "Man kann wohl mit 80 noch dienen, wenn man mit 35 schon dabei war!", empört sich Lulling über den Spruch "Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa".
Vielleicht sei es in den Achtziger-Jahren Usus gewesen, ältere Politiker in der EU zu "versorgen", wenn "Alte" mit viel Erfahrung in die europäische Politik überwechseln, sei das für die Arbeit im Europäischen Parlament aber von Vorteil. Abwegig findet sie nur, wenn Leute über 50, 60, die nie politisch tätig waren, ins EP entsendet werden. Selbst Oma ist sie nicht, als "bevölkerungspolitische Blindgängerin", wie sie selbst sagt, habe sie zeitlebens bei ihrer Mutter gelebt, bis diese mit 92 starb. "Ich hatte es so gut und so bequem wie ein männlicher Kollege mit einer braven Hausfrau, die ihn rundherum versorgte, bekochte und lieb und nett war, wenn er denn mal nach Hause kam."
Videoblog und Fernsehsendung
Bei Astrid Lulling merkt man jedenfalls nichts von Altersmüdigkeit. Als eine der ersten PolitikerInnen in Europa hat sie zur Verbreitung ihrer Anliegen auch neue Kommunikationsformen genutzt. "Sogar vor Angela Merkel", bemerkt Lulling stolz. Auf astridlullingnews.blogspot.com erklärt die 80-Jährige in Blog und Videos täglich die komplizierte Welt der EU. Seit über drei Jahren hat sie zu diesem Zweck auch eine eigene Fernsehsendung in Luxemburg. Was ihren Bekanntheitsgrad zugute kommt.
In Luxemburg kennen die umtriebige 79-Jährige zumindest 65 Prozent der Bevölkerung. Die beliebteste der Luxemburger EU-Politiker ist sie allerdings nicht, nur 40 Prozent der Befragten des Politmonitors der Zeitung "Luxemburger Wort" meinten, dass Lulling auch gute Arbeit leistet. Trotzdem glaubt Lulling an ihre Wiederwahl ins EP: "Weil ich mich geistig und physisch fit dazu fühle und überzeugt bin, dass ich mit meiner Erfahrung noch wertvolle Dienste leisten kann," bringt Lulling ihr Wahlkampfprogramm auf den Punkt. "Arbeit, Arbeit, Präsenz und Komptenz", sei ihr Credo nach so vielen Jahren des Einsatzes für die europäische Sache. Das halte gesund, wie auch ab und an ein Gläschen Wein. Mindestens zwei Gläser Wein am Tag trinke sie, das helfe gegen Alzheimer, Herzinfarkt und Krebs.
Die Diskussion um den potenziellen nächsten Alterspräsidenten im EU-Parlament Jean Marie Le Pen möchte Astrid Lulling erst gar nicht kommentieren. Für sie wäre es logisch, auch die Alterspräsidentschaft pariätisch zu gestalten: "Man sollte auch hier tun, was wir überall tun", meint Lulling. "Gender-Mainstreaming, einmal der älteste Mann dann die älteste Frau. 2009 wäre es jetzt am ältesten weiblichen Mitglied." Also Lulling selbst. (mhe, derStandard.at, 20.4.2009)
http://derstandard.at/?url=/?id=1237229947264
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