Dienstag, 17. März 2009

Fast 80 Jahre und kein bisschen leise

Fast 80 Jahre und kein bisschen leise
15.03.2009 | 18:11 | Von unserer Korrespondentin REGINA PÖLL (Die Presse)

Die Luxemburgerin Astrid Lulling ist seit 1965 mit Pause im europäischen Parlament. „Ihre“ Themen Wein und Honig lebt sie geradezu.

BRÜSSEL. „Mindestens zwei Gläser Wein am Tag“ trinke sie, sagt die Luxemburgerin Astrid Lulling, 79. Das sei „gesund“ – es helfe gegen Herzinfarkt, Krebs und Alzheimer. Sie selbst sei der beste Beweis, findet die EU-Abgeordnete. Die parlamentarische Arbeit erfordere viel Verstand, den nicht alle Kollegen immer beweisen würden, so Lulling. Sie ist Hauptverantwortliche für das Thema „Wein und Winzer“ im EU-Parlament und nahm sich früher schon des Themas „Honig und Imker“ an – unter anderem.


Zuerst war Lulling von 1965 bis 1974 EU-Abgeordnete, seit 1989 ist sie erneut im EU-Parlament vertreten. Damit ist sie die erfahrenste unter den inzwischen 785 Mandataren. Und die älteste Frau neben zwei noch älteren Männern. Am 11. Juni 2009 wird Lulling ihren 80. Geburtstag feiern – nur vier Tage nach der EU-Wahl. „Sehr gerne“ kandidiere sie noch einmal für Luxemburg, sagt die Konservative, die am 7. Juni in der alphabetischen Liste hinter Spitzenkandidatin Viviane Reding, derzeit noch EU-Kommissarin für Medien, zu finden sein wird. Lullings Hoffnung ruht auf den Wählern ab 75. Diese sind aufgrund ihres Alters in Luxemburg zwar von der Wahlpflicht befreit. Aber „die kennen mich“, sagt Lulling, die rund 14.000 Vorzugsstimmen oder mehr sammeln will. Das werde über den Einzug der insgesamt sechs Luxemburger ins EU-Parlament entscheiden.

An Aktivität und Aktivismus fehle es Lulling nicht, bestätigen auch Parlamentskollegen aus anderen Ländern und Fraktionen. Fast ein bisschen gekränkt ist Lulling, dass sie einmal von Politik und Medien verspottet worden sei: als sie nämlich für eine Brandrede zur Förderung der Imker in ein „doch ein bisschen teures“ Kostüm von Escada schlüpfte. Das hatte Lulling auf dem Frankfurter Flughafen erstanden, weiß mit gelben Blumen, und sogar Bienen waren drauf – voilà. Doch ihren Beobachtern war das offenbar zu viel.

Beirren lässt sich Lulling in ihrem Job nicht: An fast alle Themen hat sie in ihrer Parlamentskarriere schon angestreift – aber auch an Parlamentskollegen. So in der Vorwoche bei der Abstimmung über Lkw-Mauten auf Transitstrecken: Dass die Mehrheit der Abgeordneten befand, dass Frächter – unter Auflagen – auch höhere Mauten für die Folgen von Stau zahlen müssen, sei ein „unsinniges“ Votum gewesen. Denn die Fahrer könnten ja nichts für die Staus.

Ein offenes Wort findet Lulling auch, wenn es um den EU-Vertrag von Lissabon geht: Der würde dem EU-Parlament in der Gesetzgebung noch mehr Einfluss geben. Ein Prozess, der seit den 60er-Jahren immer aufwärts gegangen sei, freut sich die Abgeordnete „ganz besonders“, die selbst immer mit Feuereifer dabei gewesen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2009)

Keine Kommentare: